EIN BUNDESRAT IST KEIN  BETONEXPERTE, ABER…

Das 20-jährige Bestehen des Fachverbandes der Kies- und Betonindustrie (FSKB) wurde im Juni im Kursaal Bern gefeiert. Über 250 FSKB-Mitglieder nahmen teil und erlebten einen unterhaltsamen Abend. Bundesrat Guy Parmelin, Vorsteher des Eidgenössischen Departements für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF), richtete dabei ein Grusswort an die Anwesenden, welches hier auszugsweise wiedergegeben wird.

«… Etwas muss ich Ihnen gleich vorweg schon gestehen:
Ein Bundesrat ist, selbst wenn er das Amt des Wirtschaftsministers bekleidet, nicht unbedingt ein Betonexperte. Persönlich habe ich als ehemaliger Winzer zwar eine starke Verbindung zur Erde, aber weniger zu Sand und Kies und schon gar nicht zum Wasser, auch wenn im Wein bestimmt mehr Wasser enthalten ist als im Beton. Dennoch bin ich mir der bedeutenden Rolle der Kies- und Betonindustrie für die Entwicklung und die Modernisierung unseres Landes durchaus bewusst.

«Ich bin mir der bedeutenden Rolle der Kies- und Betonindustrie für die Entwicklung und die Modernisierung unseres Landes bewusst.»

Als Waadtländer verfolge ich natürlich den Fall des Mormont in Eclépens besonders aufmerksam und stelle fest, dass Beton – genau wie die fossilen Energien – mit grossen Umweltfragen konfrontiert ist, die über die aktuellen Proteste hinausgehen. Wir sind hier klar gefordert, diese Nachhaltigkeitsbedenken ernst zu nehmen. Und das betrifft nicht nur Sie, sondern uns alle als Gesellschaft und damit die gesamte Wirtschaft und die Politik. Ich bin der Meinung, dass wir dieses Thema seriös und gewissenhaft angehen sollten, jedoch ohne uns von Emotionen und Dogmatismus leiten zu lassen.

Aufgrund der Weiterentwicklung des CO2-Emissionshandels ist damit zu rechnen, dass der Preis für die CO2-Emissionrechte steigen wird und damit auch die Kosten für die Beton- und Zementherstellung in der EU und der Schweiz. Allerdings sollten wir angesichts dieser Herausforderungen nicht vergessen, dass sich unsere Wirtschaft trotz der globalen geopolitischen Situation relativ erfreulich entwickelt und wir uns in einer klar besseren Lage befinden als unsere europäischen Freunde.

Aber wie wird es nächstes Jahr aussehen? Die Prognosen der Expertinnen und Experten des Bundes sind nicht schlecht: Sie rechnen damit, dass die Wirtschaft leicht anzieht. Aber ein weiteres Mal hängt alles davon ab, wie der Winter wird. Bei einem harten Winter ist eine Energiemangellage durchaus möglich, was Produktionseinbussen und eine Rezession nach sich ziehen könnte.

Von einem möglichen zu einem tatsächlichen Mangel komme ich nun zum Mangel an Arbeitskräften. Ende letzten Jahres gaben 40% der Schweizer Unternehmen an, dass sie Schwierigkeiten haben, Mitarbeitende zu rekrutieren. Das ist im internationalen Vergleich eine hohe Zahl. Das Phänomen betrifft mittlerweile alle Arbeitskräfte, unabhängig von ihrem Qualifikationsniveau. Es ist zum Teil konjunkturell, aber vor allem demografisch bedingt. Das bedeutet, dass die Neuzugänge auf dem Arbeitsmarkt die angehenden Pensionäre nicht ausgleichen können. Dieses Phänomen wirkt sich negativ auf das Wirtschaftswachstum aus und dürfte sich in den kommenden Jahren trotz der dämpfenden Wirkung der Zuwanderung leider noch verschlimmern.

«Die Herausforderungen sind für alle Wirtschaftszweige dieselben: Planungssicherheit, Klimawandel, Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit.»

Daher ist die Gefahr eines wirtschaftlichen Abschwungs durchaus real. Dies ist jedoch kein unabwendbares Schicksal. Gemeinsam können wir dieser Situation entgegenwirken. Die Privatwirtschaft muss attraktive Arbeitsbedingungen bieten, um qualifizierte Arbeitskräfte anzuziehen und zu halten, sei es durch das Gehalt, die Arbeitsbedingungen oder die Weiterbildung. Aber es gibt nicht nur ein Rezept:

Jede Branche, jedes Unternehmen muss seine eigene Strategie festlegen. Die Rolle des Staates besteht gleichzeitig darin, gute Rahmenbedingungen für Bildung und Beschäftigung zu schaffen.

Meine Damen und Herren, ich bin etwas frustriert, denn ich könnte, wenn die Zeit nicht knapp wäre, noch eine Reihe weiterer Themen ansprechen, bei denen ich eine interessante Konvergenz zwischen Beton und der Politik meines Departements sehe. Beton als Produkt, das sich im Zuge von Forschung und Innovation weiterentwickelt. Beton im Dienste des Wohnungsbaus und der Infrastrukturentwicklung unseres Landes. Beton, ob es den Kummergeistern nun gefällt oder nicht, sorgt für die konkrete Stabilität unserer Gesellschaft, und zwar nicht nur in urbanisierten Umgebungen. Vom Franzosen Louis Vicat, der Anfang des 19. Jahrhunderts Zementmörtel entwickelte, bis hin zum jüngsten Ultrahochleistungsfaserbeton: Die Geschichte des Betons ist faszinierend und wurde zu einem grossen Teil in der Schweiz geschrieben.

Die Herausforderungen, die bereits heute auf Ihre Branche warten, sind beträchtlich. Aber ich kann Sie beruhigen.Sie sind für alle Wirtschaftszweige dieselben: Planungssicherheit, Klimawandel, Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit. Ich wünsche mir gemeinsam mit Ihnen, dass Ihr Verband und seine Mitglieder diesen Herausforderungen rechtzeitig und mit der notwendigen Anpassungsfähigkeit begegnen.»