BAU DER ZWEITEN GOTTHARDRÖHRE: MATERIALBEWIRTSCHAFTUNG

Der Bau der zweiten Gotthardröhre ist bezüglich Materialbewirtschaftung und -logistik eine Herkulesaufgabe. Ein Konsortium von fünf spezialisierten Firmen zeigt sich für die Entgegennahme und Aufbereitung von Tunnelausbruchmaterial, den Transport zu den Betonzentralen und die Bewirtschaftung der beiden Zwischenlager verantwortlich.

Gastbeitrag von Adrian Gerber, Projektleiter Stv. beim Consorzio Sasso Gottardo

In Göschenen und Airolo arbeiten rund 200 Fachkräfte zurzeit an der neuen Gotthardröhre. Bis im Frühling 2024 werden es je 400 Arbeiterinnen und Arbeiter sein. Bereits im Jahr 2029 sollen die ersten Autos durch den 16,9 km langen Tunnel fahren. Eine der grossen Herausforderungen: die Bewirtschaftung der 7,4 Millionen Tonnen Ausbruchmaterial.

Mit dieser Arbeit wurden die Unternehmen der Consorzio Sasso Gottardo beauftragt. Darin haben sich die Firmen Marti Technik AG, Simatec Maschinenbau AG, Mancini & Marti SA, Otto Scerri SA und Arnold & Co AG zusammengeschlossen. Sie decken das ganze Leistungsspektrum ab: von der Planung und der Herstellung der Anlagen über die Bau- und Montagearbeiten bis hin zum Betrieb der Anlagen inklusive der Materiallogistik.

Der Bau der neuen Röhre erfordert 1,4 Mio. Tonnen Gesteinskörnung für Beton (GFB), die Sanierung der bestehenden Tunnelröhre rund 0,3 Mio. Tonnen. Dasjenige Material, das nicht für die GFB-Aufbereitung geeignet ist, was ca. 3,5 Mio. Tonnen entspricht, wird nach Flüelen transportiert und für die Seeschüttung im Urnersee (Drittlos) verwendet.

Ausbruchmaterial und seine Verwendungszwecke (Quelle: ASTRA)

«Der Bau der neuen Röhre erfordert 1,4 Mio. Tonnen Gesteinskörnung für Beton.»

LOGISTISCHE ORGANISATION DER MATERIALSTRÖME UND -LAGERUNGEN ALS A UND O

Das Ausbruchmaterial wird an den beiden Portalen in Göschenen und Airolo entgegengenommen. Die Klassifizierung des Materials erfolgt direkt bei der Ortsbrust der beiden Hauptvortriebe. Für die Aufbereitung geeignetes Material wird zur Aufbereitungsanlage in Stalvedro geführt, zu GFB aufbereitet und den beiden Betonzentralen übergeben. Auch für die Sanierung der ersten Tunnelröhre wird Material aufbereitet und zur Verfügung gestellt.

Der Materialtransport erfolgt hauptsächlich mittels Förderbändern und per Bahn. Für den Transport mittels Förder- bändern werden insgesamt ca. 12 km Förderbandanlagen errichtet. Für den Transport per Bahn sind bis zu fünf Zugkompositionen vorgesehen. Die Bahntransporte erfolgen zwischen den Bahnhöfen Airolo, Göschenen und Flüelen. Für die Schnittstelle zwischen Bahn- und Förderbandtransport werden zwei Bahnverladeanlagen in Airolo und eine in Göschenen sowie eine Bahnentladeanlage in Airolo erstellt und betrieben.

Für die Zwischenlagerung des Materials werden Silos und Deponien verwendet. Die Lager dienen als Puffer bei der Produktion von GFB und beim Bahntransport. In Airolo sind zwei Deponien auch als Enddeponien vorgesehen.

AUFBEREITUNGSANLAGEN: PRODUKTION DIREKT VOR ORT

Sämtliche GFB wird in Stalvedro, in einer zentralen Anlage, hergestellt. Die Hauptanlagen der Materialaufbereitung sind das Triagezentrum, die Zwischenlagerung von Aus- bruchmaterial mit einem Schwenkabsetzer und einem Unterflurabzug, zwei Kieswerke und diverse Siloanlagen mit insgesamt 20 Silos. Der Triageturm hat die primäre Aufgabe, den feinkörnigen Teil des Ausbruchmaterials vorabsieben zu können. Damit kann die Ergiebigkeit von einzelnen Fraktionen bei der GFB-Produktion erhöht werden.

Die Zwischenlagerung dient als automatischer Puffer zwischen den Anlieferungen von Ausbruchmaterial der Tunnelbohrmaschine (TBM) im Süden und den Bahntransporten aus dem Norden. Damit wird ein automatischer und kontinuierlicher Materialfluss zum Kieswerk ermöglicht. Die beiden Kieswerke werden parallel betrieben und das zweite Kies- werk stellt auch die Redundanz zum ersten Kieswerk dar. Die Kieswerke beinhalten Anlagen für das Brechen, Sieben, Klassieren und die Wasseraufbereitung.

Die Lagerung von GFB erfolgt in verschiedenen Silos sowie zusätzlich in Lagerboxen. Mit den verschiedenen Lagern wird ein Puffer geschaffen, der die Schwankungen beim Anfall an Ausbruchmaterial und beim Bedarf an GFB glätten kann.

«Sämtliche Gesteinskörnung für Beton wird direkt vor Ort in Stalvedro hergestellt, um die Transportwege kurz zu halten.»

DREI PHASEN FÜR DIE MATERIALBEWIRTSCHAFTUNG

Die Planungs- und Herstellungsphase beginnt mit den Planungen der Bauwerke und der Anlageteile, erstreckt sich über die Produktion der Anlagen in den verschiedenen Werken und den Bau- und Montagearbeiten vor Ort in Airolo und Göschenen und endet mit der Inbetriebnahme der Gesamtanlage.

Die Betriebsphase der Anlagen beginnt mit den Vortriebsarbeiten der beiden Tunnelbohrmaschinen und endet mit dem Abschluss der Sanierungsarbeiten der ersten Tunnelröhre. Die letzte Phase umfasst die Demontagearbeiten der Anlagen sowie die Rückbautätigkeiten der temporären Bauwerke.

Darstellung Aufbereitungsanlage Stalvedro (Quelle: Simatec Maschinenbau AG)